20. September 2023
»Kann man Zeit sehen, schmecken, riechen?«
»Gedankenflüge« am Weltkindertag mit Stefanie Segatz, Anne Jaspersen und Lukas Biermann.
Dass man Zeit auch sehen kann, wird schon durch den heutigen Veranstaltungsort offensichtlich: das geschichtsträchtige Sasel-Haus zeigt sich mit sanierter Fassade und neuem Dach. Im gemütlichen Raum des Kinder-Leseclubs werden wir von Frau Zahren herzlich empfangen und bereiten uns auf unsere »Gedankenflüge« vor. Schön, dass wir gerade an diesem wichtigen Tag mit zwei dritten Klassen der Schule an den Teichwiesen die Gedanken zum Thema »Zeit« fliegen lassen dürfen, und damit das diesjährige Motto des Weltkindertags »Jedes Kind braucht eine Zukunft!« auch zu unserem Anliegen machen.
Zum Auftakt unseres »Gedankenflugs« mit der 3c hören wir den »Gedankenflieger-Song« und sammeln erste Eindrücke: worum könnte es heute wohl gehen? Ist vielleicht irgendetwas im Ohr geblieben? Als wüsste sie es schon, missversteht eine Schülerin eine Frage aus dem Song philosophisch: »Wie lebt es sich, wenn man das Leben zählt?« Eine guter Anfang, auch um zu zeigen, dass es beim Philosophieren nicht um eine »richtige«, sondern vielmehr um eine »weitergedachte« oder »neue Fragen aufwerfende« Antwort geht.
Und so gleiten wir geschwind in erste Überlegungen: dass man die Zeit auf der Uhr sehen, beim Backen riechen, beim Wachsen fühlen kann. Apropos fühlen: Wie fühlt sich eigentlich eine Minute an? Eine Spaßminute scheint für viele wohl gar nicht lang, eine Warteminute kann von »todlangweilig« bis »entspannend« wahrgenommen werden. Für diejenigen, die das Warten jedoch genießen können, »weil es endlich mal leise ist«, vergeht die Warteminute sogar schneller, als die Bewegungsminute.
Beim Lesen von »Paulette und Minosch« denken die Kinder weiter. Was ist Zeitdruck, was Geduld?
Gleich darauf können sie ihre Gedanken zu Papier bringen und ihre im »Gedankenflieger-Magazin« gesammelten Beispiele teilen. Da werden beim Warten auf Annis Familienurlaub »Tage zu Wochen«, Lotta wartet auf das Ende ihrer Hausaufgaben, und Armin kann uns auf Persisch Mut zusprechen, sollten wir beim Warten etwas verzweifeln.
Die Zeit – wie soll es anders sein – »verging wie im Fluge«, und vielleicht noch schöner: Es war »sehr, sehr cool!« Die Klasse 3c ist gelandet, als nächstes ist die Klasse 3b dabei.
Kurz nach dem Start fliegen die Gedanken schon wild: Lennon will seine in eine Rakete stopfen und zum Mond schießen. Lisa möchte ihre, so sie schlecht sind, in einem Marmeladenglas in den Schuppen stellen. Und wie gehen wir in der Philosophie mit unseren Gedanken um? Sokrates hätte seine Freude daran, denn die Kinder kommen schnell auf seine altbewährte Methode: »Rumgehen und Fragen stellen!«
So fragen wir uns weiter: »Was ist Zeit?« Geld, etwa? Ja, auch, zum Beispiel im Hafen. Jedenfalls ist sie wertvoll. Man kann sie verlieren. Und sie bringt: Veränderung.
Und wie hat man eigentlich die erste Uhr gestellt, als es noch gar keine Uhren gab? Sam kann im Lauf der Sonne die Zeit sehen. Niels weiß: »Wenn das Herz zu schlagen aufhört, ist deine Zeit vorbei.« Und einige fragen sich: »Wie lange wird wohl unsere Erde noch halten?«
Derweil geht unsere Zeit-Reise weiter – das preisgekrönte Buch »Es war einmal und wird noch lange sein« beginnt vor Milliarden von Jahren, macht einen kurzen Halt im Jetzt und bewegt sich dann fragend in die Zukunft. Die Kinder stellen Überlegungen an: Was früher mit dem Boot so lange dauerte, geht irgendwann vermutlich schon mit dem Sternzerstörer. War die Welt früher vielleicht größer? Stichwort: Raumzeit. Was war vor zehn Jahren?
»Naja«, sagt Sophie, »es kommt ja auch drauf an, wann das Buch gemacht wurde.« Zeit ist eben relativ. Und in zehn Jahren? Da will Artem in seinem Haus wohnen. Allein. Zumindest, bis die Kinder kommen. Stehen wird es seinen Zeichnungen zufolge jedenfalls noch im Jahre 4034.
Derweil ist unsere Zeit schon um. Die Erwachsenen von Morgen haben einen kurzweiligen »Gedankenflug« hinter sich – und wir Kinder von Gestern freuen uns auf die, die noch vor uns liegen.
Lukas Biermann und Anne Jaspersen