12. April 2025

»Gedanken findet man in der Seele oder im Herzen«

»Gedankenflüge« an der Schule Hohe Landwehr mit Jörg Bernardy und Anne Jaspersen.

Für die letzten beiden »Gedankenflüge« an der Schule Hohe Landwehr (gefördert von der Stiftung Kinderjahre, herzlichen Dank dafür!) besuchen Jörg Bernardy und ich die Klassen 4d und 4b.

 

In der 4d denken anfangs gleich viele neugierige Kinder darüber nach, was Philosophieren wohl bedeutet und es wird die Behauptung aufgestellt, dass man philosophische Fragen niemals beantworten kann. Mit der großen Frage »Was bedeutet Mut?« geben wir der Suche nach Antworten trotzdem eine Chance.

 

Einige Kinder stellen fest, dass Mut viel mit Selbstvertrauen zu tun hat und man seinem Kopf deshalb immer wieder sagen muss, dass man es schaffen kann, die eigene Angst zu überwinden. Es ist eben nicht nur möglich andere zu ermutigen, sondern auch sich selbst.

Angelehnt an das mitgebrachte Buch, das beim späteren Lesen weitere Aspekte zum Thema Mut aufwirft, stelle ich einen offenen Tontopf in die Mitte und lasse einen Kreisel kreiseln, dessen Spitze auf ein Kind zeigt, sobald er liegen bleibt. Dieses Kind darf nun (sofern es sich traut) in den Topf greifen und einen Zettel herausziehen. Auf dem ersten Zettel ist eine futuristische Welt zu sehen. Während das Bild herumgezeigt wird, assoziieren viele Kinder Film- und Spielewelten wie »Star Wars« oder »Minecraft« mit der Abbildung. Doch was könnten solche Welten mit Mut zu tun haben?

 

»Es geht um Zukunft«, rufen einige Kinder und ein Mädchen bemerkt, dass man für die Zukunft Mut braucht, denn man weiß ja nicht was kommt. »Alles ist dann neu und anders«, ergänzt sie ihre Ausführungen, woraufhin zustimmend genickt und gemurmelt wird. Weitere Bilder, die in dem Topf stecken, zeigen eine Kartoffel in Herzform, die gerade aus der Erde geholt wurde, eine Freeclimberin in Aktion und einen Jungen, der einen Hund umarmt. Einige Kinder finden es mutig, in die Erde zu fassen, um Kartoffeln zu ernten, weil man sich schmutzig macht und es außerdem Krabbeltiere im Boden gibt, die einen zwicken könnten. Andere Kinder bräuchten jede Menge Mut, um einer Person zu sagen, dass sie in sie verliebt sind.

Natürlich braucht man Mut, um an einer Steilwand zu klettern, wobei die Angst auch ein hilfreicher Begleiter sein kann, damit man sich nicht überschätzt und eventuell zu viel zumutet. Und ein tierischer Freund? Der kann auf jeden Fall Mut machen, da sind sich die Kinder einig. Ist es zu zweit also leichter mutig zu sein?

 

In dem Buch »Tina hat Mut« von Tatia Nadareischwili wird Tina von ihrem Hund in den dunklen Bambuswald begleitet. Ohne ihn wäre sie wahrscheinlich längst umgekehrt. Auch der Richtungsvorgabe des Kreisels wäre sie vermutlich nicht gefolgt, wenn sie ihn nicht von ihrem Vater als inspirierende Spielanregung geschenkt bekommen hätte. Mut scheint also Vertrauen vorauszusetzen.

 

Und wie fühlt es sich an, nachdem man mutig gewesen ist? Verändert sich dann etwas? Dem spüren die Kinder nach, indem sie im nagelneuen Magazin zu Papier bringen, was sie sich selbst einmal getraut haben und wie sich ihr »mutig sein« auf ihr späteres Leben ausgewirkt hat.

»Ich habe mal eine Aufführung vor Leuten gemacht, die ich nicht kannte. Seitdem möchte ich Schauspielerin werden«, war zum Beispiel in einem Magazin zu lesen. Was für eine Wandlung!

 

»Ein Gedanke ist eine Stimme im Kopf.«

Rubin, 10 Jahre

 

Der zweite »Gedankenflug« findet in der 4b mit Jörg Bernardy statt. Anfangs wird darüber nachgedacht, was Philosophieren bedeutet und wo die eigenen Gedanken überhaupt zu finden sind, bzw. wie sie sich auswirken: Man kann sie sich vorstellen oder hören oder (als ein Kribbeln) fühlen. Es fallen die Worte Imagination und (tag-)träumen, woraufhin ein Kind berichtet, dass es sich mit luzidem Träumen auskennt. Sicher ist jedenfalls, dass auch Träume voller Gedanken stecken.

Anschließend legt Jörg Postkarten mit philosophischen Fragen rückseitig in die Mitte auf den Boden und fordert die Kinder auf, nacheinander jeweils eine Postkarte zu ziehen. Fragen wie »Bist du etwas Besonderes?« oder »Sind Ideen ansteckend?« oder »Bin ich arm oder reich?« sind auf den Karten zu lesen. »Ich bin reich an Liebe und Herz«, bemerkt Rubin mit einem Lächlen und ein anderes Kind ergänzt: »Geld macht das Leben leichter, aber nicht glücklicher.«

 

Auf die Frage »Wem gehört die Welt?« kommen viele Antworten in Betracht: »Gott«, »niemandem«, »der Menschheit«, »allen Lebewesen«, »ausschließlich den Tieren, weil sie schon viel länger auf der Erde leben als wir«. Ein schöne Frage, um zu erleben, dass es auf ein und dieselbe Frage viele mögliche Antworten geben kann, wovon keine objektiv falsch ist.

»Was kommt hinter dem Universum?« ist die letzte Frage, die umgedreht wird und auch hier sprudeln die Antworten nur so hervor: »Viele weitere Universen«, »das Paradies« (oder auch sieben davon), »Unendlichkeit«, »schwarze Löcher« oder sogar »weiße Löcher«.

 

Als Jörg das Buchcover des gereimten Buchs »Der Löwe in dir« von Rachel Bright und Jim Field in die Höhe hält und wissen will, welche philosophische Frage wohl dazu passen könnte, sind die Kinder dann doch ein wenig ratlos. Aber im Laufe der Geschichte wird klar: Mut ist nicht unbedingt eine Frage von körperlicher Stärke und ein Löwe ist nicht zwingend mutiger als eine Maus. Ganz im Gegenteil: Die Maus braucht ziemlich viel Mut, um sich dem Löwen zu nähern und ist am Ende doch sehr überrascht, weil der Löwe aus ganz anderen Gründen all seinen Mut zusammenkratzen muss, als ursprünglich von ihr angenommen.

 

Ein schöner Anlass, um im Magazin selbst Mutgedichte zu schreiben und am Ende (genau wie im Buch) festzustellen: Jeder von uns ist mal Löwe, mal Maus.

 

Anne Jaspersen