9. November 2023
There’s a first time for everything
Ein Erfahrungsbericht von Lukas Biermann über seinen allerersten Gedankenflug.
Es ist also Zeit: Ich habe das Onboarding hinter mir, durfte mir bei Stefanie Segatz und Anne Jaspersen einiges abgucken, habe mit meiner Tochter die Bücher bearbeitet und mir meine Gedanken gemacht. Und natürlich bin ich ein bisschen nervös. Immerhin habe ich jetzt die Chance, einer Handvoll von Kindern die Philosophie zu vermiesen. Dafür dann aber gleich vor unserer Projektleiterin Sarah Steidl und unserer heutigen Auftraggeberin Vera Klischan von der Stiftung Kinderjahre.
Später werde ich denken: Wie schön, dass wir heute in der Klasse 4C der Schule am Appelhoff gelandet sind! Die Klassenlehrerin Frau Daus führt uns ins Klassenzimmer, am großen Smart-Board merke ich gleich, es ist wohl etwas her, dass ich zuletzt einen Klassenraum betreten habe. Und dann trudeln die Kinder ein, schauen neugierig, und fangen sofort mit den Fragen an. Das läuft ja schon, denke ich. Nur nicht zu viel vorwegnehmen, ich stelle ja gleich noch alles vor. Und dann darf ich erstmal das Kennenlernen kennenlernen; es macht Spaß, auf Augenhöhe mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, während ich die Namensschilder ausfertige.
Sophie steht uns zur Einführung als Namenspatronin bei und wir kommen langsam ins Philosophieren. Während die Kinder über unser Jahresthema Zeit nachdenken, denke ich darüber nach, ob mein Timing sitzt. Frage ich zu schnell nach? Dauern meine Antworten zu lange? Wo sind wir eigentlich? Ich schaue auf die Uhr – noch passt mein Zeitgefühl. Und als die Kinder ihres in der Spaß- und Warte-Minute jeweils unter die Lupe nehmen können, kann ich kurz, solange der Timer läuft, meines vergessen.
Wir lesen »Paulette und Minosch« von Raffaela Schöbitz und Kerstin Hau (kunstanstifter verlag). Paulette will ihre Pflanze Mimosa zum Blühen bringen. »Was braucht Mimosa, damit sie blüht?« Frische Erde, klar. Wasser, nicht zu viel. Und die richtige Menge an Licht. Das alles ist notwendig – aber ist es auch hinreichend? Paulette reicht es jedenfalls; sie ist ungeduldig. Die Kinder haben wohl Verständnis dafür, immerhin hatten wir eben noch am eigenen Leib erfahren, wie langweilig das Warten sein kann. Aber ihrem Kater Minosch müssen sie auch Recht geben: »Mimosa blüht, wenn sie blüht.«
Und wir werden fertig, wenn wir fertig werden – war meine Lesegeschwindigkeit dieselbe wie zuhause? Naja, ein bisschen durchgehastet sind wir vielleicht doch. Aber gut, Pläne dienen meistens mehr dem Vergleich als der Umsetzung.
Die Kinder vergleichen jedenfalls in der Aufgabe im »Gedankenflieger«-Magazin ihre Warte-Erfahrungen. Freselam ist das Warten an der Bushaltestelle besonders lästig. Klar, sind nur 5 Minuten – aber nichts zu tun! Und als Justin von seinen langen Autofahrten in den Urlaub erzählt, wird es quasi dialektisch: Musstest Du da ungeduldig sein, frage ich. Nee, geduldig. Eben.
Am Ende bleibt noch Zeit, Zeit-Gutscheine zu gestalten. Wer weiß, denke ich, womöglich setzt unser kleines Zeitfenster einiges in Bewegung. Ich wäre gespannt zu wissen, ob nicht das ein oder andere Zeit-Geschenk die zukünftigen Beziehungen zu den Beschenkten ganz neu formt? Und wie lange werden die Kinder wohl noch an unseren »Gedankenflug« denken?
Mir wird er jedenfalls in Erinnerung bleiben. Ich bin froh, dass wir nicht abgestürzt sind, froh über die Begegnungen, und froh, dass ich meine Lebenszeit mit einem so schönen Projekt verbringen darf.
Lukas Biermann