6. Juni 2023

Schuhe sind teuer und Geldverdienen kostet Zeit

»Gedankenflieger on tour« im Landkreis Lüneburg, Grundschule Neu Darchau (05.06.2023)

Ein sonniger Morgen direkt an der Elbe – kurz vor 8.00 Uhr rollt das »Gedankenflieger«-Mobil auf den Schulhof der kleinen Grundschule in Neu Darchau. Heute geht es mit den Klassen 3+4 und den Klassen 1+2 in zwei Veranstaltungen um die große Frage nach der »Zeit«. Einige Kinder warten schon vor der Tür und begrüßen uns neugierig, noch ist nichts verraten, unser Besuch ist eine Überraschung.

 

Also steigen wir mit den beiden älteren Klassen in der ersten Veranstaltung erst einmal mit der Frage ein, was es wohl bedeuten kann, die eigenen Gedanken fliegen zu lassen. Gleich beginnen die Köpfe zu rauchen. Gar nicht so einfach, aber vielleicht hat es etwas mit unserem Logo – dem Papierflieger – zu tun; die Gedanken könne man auf ein Papier oder einen Ballon schreiben und einfach mal losfliegenlassen, schlägt Olivia vor.

Viele Möglichkeiten, worauf sich die Gedanken niederlassen können, werden gefunden, aber wie es aussehen soll, ist dann doch nicht so einfach. Aber wir haben ja jede Menge Fragen mitgebracht, die kleinen, die sich einfacher und manchmal mit einer einzigen Antwort lösen lassen, und die ganz großen, die eben ein paar mehr Antworten brauchen und vertragen.

Unsere große Frage ist die nach der »Zeit« – was hat es damit auf sich? Till hat gleich Ideen, wie sich die Zeit messen lässt, mit Minuten, Stunden, Tagen und Monaten. Ein guter Anfang, um der Zeit auf die Spur zu kommen. Anhand von Bildkarten versuchen wir gemeinsam herauszufinden, ob es Zeiten für bestimmte Dinge gibt, die wir tun oder lassen, die wir mögen oder vielleicht auch nicht so: Ferienzeit, Essenszeit, Schulzeit, Weihnachtszeit, Medienzeit. Da fällt jedem Kind eine Menge ein.

Aber wie ist es eigentlich, wenn wir Dinge in der Zeit tun? Verläuft die Zeit dann immer gleich oder eher nicht? Wir machen ein Experiment und laufen gemeinsam eine Minute durch den Raum, um danach ebenfalls eine Minute ganz still und leise auf dem Stuhl zu sitzen – einfach mal gar nichts tun. Was hat länger gedauert? Jedes Kind hat dazu eine ganz eigene Antwort. Also, gar nicht so einfach mit der Zeit. Offenbar hat es damit zu tun, wie wir diese Zeit füllen und gestalten – und damit auch so etwas wie Erinnerungen in der Zeit schaffen, die ganz allein uns gehören.

Und damit sind wir schon bei der Geschichte, die wir dieses Mal mitgebracht haben: »Zuhause« – ein Haus erzählt all die Dinge, an die es sich erinnert, seine erste Familie, die irgendwann auszog, die es so vermisste, dass es verwahrloste und niemanden mehr an sich heranlassen wollte, bis es irgendwann doch eine Familie schaffte und das Haus wieder zu einem neuen Zuhause werden konnte.

Damit können viele der Kinder etwas anfangen, Jan und Leon sind gerade umgezogen, weil ihr Haus abgebrannt ist, und zwei ihrer Mitschülerinnen sind schon vier Mal umgezogen. Es gehen also immer wieder Dinge in der Zeit zu Ende und führen zu einem neuen Anfang. Ja, da stimmen tatsächlich alle Kinder zu.

Im »Gedankenflieger«-Magazin überlegen wir dann, wie ein solcher Anfang aussehen könnte – was nehmen wir mit, wenn wir aufbrechen würden, was lassen wir zurück, wenn wir es uns aussuchen könnten? Jedes Kind bepackt den eigenen Umzugslaster mit unterschiedlichen Dingen und wir schauen uns die Werke am Ende gemeinsam an, bevor wir mit dem roten Faden versuchen, all die fliegenden Gedanken wieder ein wenig einzufangen und zu überlegen, was vielleicht ein besonderer Gedanke gewesen ist, der sich aufzubewahren lohnt.

Die Klassen 1+2 sind neugierig und hellwach, als sie den Raum betreten. Wenn sich Philosophen dem Wortursprung nach als »Freunde der Weisheit« bezeichnen, ist das für Ferdinand kein Grund zur Irritation: »Weisheit ist, wenn man eben schlau ist.«

Auch zum Gedankenfliegen gibt es sofort Ideen: »Manche Gedanken fangen an zu fliegen, wenn man sich ganz doll konzentriert«, meint Vincent. Fliegen könnte aber auch bedeuten, dass der Kopf einmal ganz leer und frei ist.

 

»Wenn ich schwimmen gehe, dann verliere ich alle meine Gedanken«,

berichtet Assiya – und das fühlt sich dann ein bisschen wie Fliegen an. Aber was bedeutet »Zeit« für diese Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren? Ein Spiel mit unterschiedlichen Gegenständen lädt dazu ein, sich mit dem Thema zu verbinden. Die Babyschuhe z.B. sind ein klarer Fall: »Wir wachsen alle und dann drücken die Schuhe und es ist Zeit, neue zu kaufen«, meint Mila. »Dann kriegen Mama und Papa immer eine Krise.« Schuhe sind teuer und Geldverdienen kostet Zeit. Viele Eltern kommen erst spät am Nachmittag nach Hause. »Dann fühlt sich Warten manchmal endlos lang an«, erzählt Philipp.

 

Das Thema Zeit und Zeitwahrnehmung wird gut angenommen und mit vielen persönlichen Erfahrungen verknüpft. Ein Bewegungsspiel zum Thema (Sanduhr) lockert Muskeln und Gedanken, bevor wir uns dann gemeinsam auf die Bilderbuchgeschichte »Paulette und Minosch« einlassen. Das Buch bietet viele Einstiegsmöglichkeiten in die Materie. Die Kinder hören aufmerksam zu und erzählen am Ende der Geschichte von sich aus, worauf sie selbst schon einmal sehr lange warten mussten – eine gute Vorlage, die auf das Arbeiten mit dem »Gedankenflieger«-Magazin vorbereitet.

Hier geht es um die Aufgabe »Worauf musstest du schon einmal sehr lange warten« – auch hier begegnen uns wieder PS4, 5, aber auch der eigene Hund, eigene Katzen, das Wiedersehen mit der Mutter, die in Frankfurt lebt, und lang ersehnte Weihnachtsgeschenke. Die Kinder zeigen ihre Malereien und Gedanken gerne. Zeit für Applaus!

 

Ina Schmidt und Stefanie Segatz