16. April 2024

Mutiges Philosophieren mit Eulen und Tigern

an der Schule Charlottenburger Straße mit Stefanie Segatz und Anne Jaspersen.

Heute ging es für meine Kollegin Anne Jaspersen und mich erstmalig an die Grundschule Charlottenburger Straße in Hohenhorst, unterstützt von der Stiftung Kinderjahre. Voller Spannung erwarteten uns die »Eulen« vor ihrem Klassenzimmer. Zum neuen Jahresthema »Was bedeutet Mut?« sollten die Gedanken fliegen – und wir hatten Aufwind!

»Mut bedeutet, sich etwas zu trauen, obwohl man vielleicht Angst hat«, war Finns erster Gedanke. »Und die Angst fühlt sich manchmal wie eine »innere Sperre« an«, beschreibt Elias; viele teilen diese Erfahrung und stimmen zu. Darum fühlt es sich auch gut an, wenn man diese Sperre überwindet und sich ein Herz fasst – denn das bedeutet Mut im ursprünglichen Wortsinn, wie das Wort »courage« noch ahnen lässt.

Viele der Eulen waren schon einmal mutig: Beim Sprung von Dreimeterbrett, beim Absprung von der Schaukel oder beim Handstandversuch auf steinigem Boden. Dafür, dass man sich entschließt, seine Angst zu überwinden, kann es viele Gründe geben. »Sonst bist du ein Weichei« – auch solch eine Bemerkung kann z.B. dazu führen, dass man etwas macht, was man sich sonst nicht getraut hätte. Aber ob das immer gut ist? Da gehen die Meinungen auseinander. »Wenn es jemand sagt, der es gut mit mir meint und dem ich vertrauen kann, ist es ok«, meint Aissa. Ansonsten ist es vielleicht mindestens ebenso mutig, auf die eigene Stimme zu hören und sich abzugrenzen, da sind sich alle Kinder einig.

 

Eine spielerische Einheit leitete zu unserer Bilderbuchgeschichte weiter: Wer traut sich, in den Kreis zu treten und laut ein echtes Quatschwort auszusprechen, sich dazu vielleicht sogar noch eine Bewegung auszudenken? Areg fiel das nicht schwer, er meldete sich schnell und trat zügig in den Kreis, hatte ein Quatschwort parat und sprang dazu nach vorne. Wir alle wiederholten seine Mutprobe. Komisch, zusammen war das gar nicht so schwer! Und dennoch meldeten sich nur zögerlich noch ein paar weitere Kinder, um ebenso mutig in den Kreis zu treten.

Das Bilderbuch »Spriedel« von Antoinette Portis handelt von einem kleinen braunen Spatzen, der es eines Tages leid ist, immer nur erwartungsgemäß »Piep« zu zwitschern und plötzlich »Spriedelfiedel« ausruft. Unerhört! Oder einfach nur albern? Dieses Buch zeigt leichtfüßig und bunt, dass es für ein Individuum, aber auch für eine Gesellschaft ein Gewinn sein kann, im Einzelfall mutig Konventionen zu überwinden, aus der Berechenbarkeit des Alltags auszubrechen und dafür auch Kritik in Kauf zu nehmen – weil es die Perspektive ändert und Freude und Neugier darauf weckt, die Möglichkeiten der Welt zu erweitern.

 

Mit eigenen schöpferischen Lautmalereien ging es bei der Arbeit im druckfrischen »Gedankenflieger«-Magazin weiter. Von »Balakrafal« über »Muzifürzi«, »Lapiflafi«, »Sunibuni« und »Pipidiepzie« war alles dabei, und so vorbereitet mit einer verschriftlichen Grundlage trauten sich plötzlich viele, in den Kreis zu treten und ihre Lautschöpfungen preiszugeben. Beim genauen Nachsprechen dieser Worte in der Gruppe wurde erlebbar, wie viel Atmosphäre in Intonation und Lautkombinationen stecken. Schön, wenn ein Bilderbuch so viel Sprachlust weckt!

Der rote Faden lud als Abschlussrunde noch einmal dazu ein, sich miteinander zu verbinden, die Gedanken zu sammeln und einen wichtigen Aspekt zum Thema »Mut« auszusprechen.

 

Für die nächste dritte Klasse brauchten wir selbst etwas Mut, denn es handelte sich um die »Tiger«. Wie sich herausstellte, waren es aber ganz besonders nette und freundliche Exemplare, die ausgezeichnet zuhören konnten. Das begann mit dem »Gedankenflieger«-Song, in dem wirklich viele Fragen stecken und bei dem einige schon gleich mitsingen konnten. Zu unserer Frage »Was bedeutet Mut?« ließen wir die Gedanken fliegen und hielten sie auf unserer Mindmap fest. So erfuhren wir, dass viele Kinder beim Einschlafen Mut brauchen, im Dunkeln, beim Schwimmen und auch beim Zahnarzt.

Bei dem anschließenden Spiel durften ganz besonders Mutige ihre Hand einmal in eine »Fühlkiste« stecken und dort einen Gegenstand herausziehen. So kamen ein Krokodil, ein Kochlöffel und ein Plüschherz zutage. Was könnten denn diese so unterschiedlichen Gegenstände mit Mut zu tun haben? Für die Kinder ganz klar: Das Krokodil auf dem Nachttisch schützt vor bösen Träumen und gibt Mut zum Einschlafen, der Kochlöffel steht für einen Koch, der mutig mit scharfen Messern hantiert und das Herz klopft heftig, wenn man Angst hat und Mut braucht. Das Schaffen solch kreativer Verbindungen im Kopf öffnet das Denken und erweitert die Fantasie. Im Austausch darüber lassen sich Erfahrungen und Erlebnisse teilen, was die Gemeinschaft stärkt.

 

Um den Mut, auch gegen Widerstände und Zweifel selbstbewusst den eigenen Weg zu gehen, ging es dann in der Bilderbuchgeschichte »Das ist doch kein Beruf für einen Wolf« von Annette Feldmann und Mareike Engelke. Mit viel Hamburger Lokalkolorit wird hier von Isa Grimm, der kleinen Wölfin, erzählt, die fest daran glaubt, zur Kapitänin auf hoher See bestimmt zu sein – obwohl so vieles von Natur aus dagegenspricht. Nach bestandenen Abenteuern erreicht sie ihr Ziel. Die Kinder sind mehr als zufrieden mit dem guten Ende und sich ganz sicher, dass jeder und jede sein Ziel erreichen kann, wenn man fest an sich und die eigenen Fähigkeiten glaubt.

 

Im »Gedankenflieger«-Magazin konnten die Tiger dann ihr eigenes Schiff mit Mut-Wörtern beladen. Solche Wörter können überraschen – wie z.B. das Wort »Jobcenter«; dahinter steht oft eine ganze Geschichte. Wie schön, dass wir auch Zeit für Einzelgespräche haben. In der Schlussrunde konnten Freiwillige dann ihre Ergebnisse vorstellen und wurden von allen mit warmem Applaus bedacht.

 

Wir freuen uns sehr auf weitere mutige Gedankenflüge an der Grundschule Charlottenburger Straße. Danke an alle Eulen und Tiger, große und kleine, und an Vera Klischan von der Stiftung Kinderjahre, die die Veranstaltungen und unseren Austausch mit den Lehrkräften immer interessiert und engagiert begleitet.

 

Stefanie Segatz