14. April 2023

Kreativworkshop

Bildsprache im Kontext des Philosophierens mit Kindern.

Als krönenden Abschluss der Saison 22/23 am Leipziger »Gedankenflieger«-Flughafen konnte im März 2023 unsere erste Fortbildung in der Region stattfinden, die gleichzeitig auch die erste außerhalb Hamburgs war.

Die große Begeisterung, die uns in unseren Veranstaltungen während der letzten Monate begegnet ist sowie viele praktische Erfahrungen, konnten wir nun direkt an interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den verschiedensten Bildungsbereichen weitergeben.

 

Ausgehend von unserem Jahresthema »Identität« näherten wir uns der Philosophie als Kulturtechnik mit Bezug zu Ekkehard Martens, berichteten aus unserer »Gedankenflieger«-Praxis und versuchten gemeinsam zu einer fragenden Haltung zu finden, die für uns die Grundlage des philosophischen Gesprächs mit Kindern bildet.

 

Außerdem gehört für uns »Gedankenflieger« das Bilderbuch als grundlegender Bestandteil mit all seinem pädagogisch-philosophischen Potential dazu. Das liegt nicht nur an der textbasierten Erzählung, sondern insbesondere am Zusammenspiel von Text und Bild.

Die Bilder sind meist das Erste, was die Kinder und wir (als Betrachtende und Lesende) wahrnehmen. Diese Form der Betrachtung verwebt sich mit der (vor-)gelesenen Geschichte, ergänzt sich und lässt im besten Falle etwas ganz Neues, Eigenes entstehen. In der Interaktion von Text und Bild bekommt die Geschichte eine neue Dimension. Bilder erzählen die Geschichte mit Formen und Farben und bilden auch eine Brücke, wo vielleicht Worte fehlen oder nicht verstanden werden.

So sehen wir in der Formen- und Bildsprache der Bücher sehr besondere Möglichkeiten für das philosophische Gespräch mit Kindern. Dabei geht es vordergründig nicht darum, ob die Bilder gefallen oder deren Formensprache den Kindern vertraut ist, sondern um das, was wir im Betrachten für uns herausfinden können.

Sehr eindrücklich war für uns dazu die Äußerung einer Lehrerin nach einer Veranstaltung im letzten Jahr: »Dieses Buch hätte ich nie ausgewählt. Aber die Kinder haben mir gezeigt, dass man das auch verstehen kann.«

Bilder sind lediglich EINE Interpretation der Geschichte (und derer gibt es so viele, wie es Menschen gibt). Diese muss ich nicht mögen, ich kann sie aber als eine Perspektive annehmen und als Anstoß für eigene Gedanken, Gefühle und Fragen nutzen. So sind sie (wie jede Meinung im philosophischen Gespräch) eine Einladung, die Welt mit den Augen eines anderen Menschen zu sehen und können Anreiz sein, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen, womit wir wieder bei der fragenden Haltung angekommen wären.

 

Um all dies auch sinnlich kreativ erfahrbar zu machen, haben wir die Teilnehmenden unserer Fortbildung eingeladen, sich mittels Formen und Farben in einen philosophischen Dialog zu begeben.

Ausgehend von Bildbeispielen im Buch »Goliath« waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert, sich einen abstrakten Begriff zu wählen und ihn mit Hilfe von farbigen Papieren und Schere zu verbildlichen, d.h. zu legen, sodass die Darstellung noch flexibel beweglich bleibt.

 

Im nächsten Schritt wechselten wir in eine Partnerarbeit: Jetzt sollten sich zwei individuell gelegte Begriffe »begegnen«. Plötzlich trafen Angst und Kraft oder Macht und Vielfalt auf dem Papier aufeinander. Dadurch veränderten sie sich, gingen eine Beziehung ein, andere Facetten ihrer selbst wurden sichtbar und mit einer neuen Anordnung, einem neuen Bild veränderte sich auch ihre Bedeutung.

Dies alles passierte natürlich nicht stillschweigend, im angeregten Gespräch hinterfragten die beiden Partnerinnen bzw. Partner Begriffe und deren Deutungen auf Grundlage von Formen und Farben und begleiteten den Prozess ihrer Veränderung.

In der anschließenden Präsentation in großer Runde waren zunächst alle Betrachtenden aufgefordert, die entstandenen Arbeiten aus ihrer Sicht heraus zu beschreiben und zu deuten.

Dann reflektierten die Urheber und Urheberinnen ihre Intention und ihren gemeinsamen Weg. Wie selbstverständlich entspann sich eine angeregte Diskussion um die oft so schwer greifbaren Begriffe und es entstand Erstaunen und »Gerührt-Sein« in Anbetracht der vielschichtigen Bedeutungen, die aus den Synergien heraus sichtbar geworden waren.

 

Abstrakte Begriffe sowie die Intention des philosophischen Gesprächs werden in dieser Übung sinnlich ästhetisch erfahrbar. In der gemeinsamen kreativen Auseinandersetzung beschreiben wir, hinterfragen und analysieren Bedeutungen, knüpfen Zusammenhänge, schaffen Verbindungen und wechseln die Perspektiven. Grundlage dafür ist, dem Anderen mit Offenheit und Toleranz zu begegnen, um zu einem gemeinsamen Nenner finden zu können.

 

Eine Teilnehmerin in der abschließenden Reflexion:

»Auf einmal werden mir die vielen theoretischen Ansätze und Intentionen der Fortbildung erlebbar. Ich habe nun ein Bild dafür und konnte erfahren, wie alles zusammenfindet und dass das, was so kompliziert erscheint, wie selbstverständlich gelingen kann.«

 

Wir möchten mit unserer Arbeit auch Mut machen, sich auf neue, ungewohnte Bildsprachen einzulassen und den Kindern anzubieten. Denn so können wir den Raum öffnen, mit Akzeptanz und Neugierde anderen und den eigenen Bildwelten jenseits des Mainstreams zu begegnen, sie zu entdecken und zu verteidigen.

 

Ulrike Jänichen