
10. Oktober 2025
Perspektivwechsel an der Grundschule Fruerlund in Flensburg
mit Ina Schmidt und Anne Jaspersen.
Fast kann man noch die Farbe riechen, wenn man durch die großen Glastüren der Grundschule Fruerlund die Eingangshalle betritt. Die Schule strahlt Aufbruch und Neustart aus, ist sie doch erst seit letztem Jahr eröffnet. Der Morgen beginnt mit einem gemeinsamen Lied für die vierten Klassen auf den breiten Fluren, begleitet von Gitarrenmusik. Und direkt danach beginnt unser erster »Gedankenflug« in der Eulenklasse.
»Klar können Gedanken fliegen«, da hat Lyam keinen Zweifel und was es mit dem Philosophieren auf sich hat, wissen auch viele der Kinder. In der Schule können sie nämlich wählen. Zwischen Philosophie und Religion. Also beginnen wir unsere Suche nach den kleinen und großen Fragen mit geübten Denkern und Denkerinnen. »Stellt euch vor, diese kleine Discokugel wäre ein philosophischer Gedanke«, bringt Ina Schmidt den gedanklichen Stein ins Rollen, während sie mit der Kugel am Faden langsam durch die Reihen geht und die Kinder sie mal von oben oder von unten, von der Seite oder ganz nah und auch aus der Ferne betrachten können. »Wenn man sehr dicht herangeht, kann man sogar sich selbst sehen«, bemerkt ein Kind begeistert und ein anderes bewundert die Licht-Reflexionen der Spiegelscherben.
Das verdeutlicht äußerst anschaulich, wie unterschiedlich die Perspektiven bei der Begutachtung von ein und derselben Sache sein können und das heißt wiederum, dass es auf viele wichtige Fragen mehr als eine Antwort geben muss. »Ein gutes Leben« kann zum Beispiel sehr vielfältige Aspekte beinhalten und genauso unterschiedlich können die Meinungen dazu sein – aber begründet werden, müssen sie dann doch.
So kommen wir schließlich auf unsere Frage nach dem »Mut« zu sprechen – was ist es, was uns mutig werden lässt, was hat Mut mit Angst zu tun und warum ist es etwas anderes, wenn ein Astronaut Höhenangst hat oder sich Sorgen macht, im All verloren zu gehen? Wie mutig ist es, das Gewohnte und Vertraute zu verlassen und wieviel Abenteuerlust gehört dazu, um wirklich mutig zu sein?

Wir lesen gemeinsam das Buch »Dunkel« und finden ziemlich viel über all die dunklen Ecken und Orte in Wohnungen und Kellern heraus, die hin und wieder mal eine kräftige Taschenlampe brauchen, um gut durchleuchtet zu werden. Oder auch ein richtig starkes Mutgefühl, das man in sich selbst entdecken muss. Aber es gibt auch Stimmen, wie die von Milan B., der das Dunkel sehr mag und schon lange Freundschaft mit der Dunkelheit geschlossen hat.
In seinem kleinen selbst geschriebenen Dialog mit dem »Dunkel« hofft er, dass ebendieses Dunkel immer bei ihm bleiben wird. Und so schließen wir am Ende mit dem roten Faden und überlegen, ob es ein Wort oder einen Gedanken gegeben hat, der weiterfliegen soll, der besonders wichtig war oder uns ins Nachdenken gebracht hat. In jedem Fall war es ein toller Anfang, den wir mit den Flensburger Eulen auf unserer ersten Gedankenreise machen durften.
Nach einer kurzen Pause begrüßen wir die »Krakenklasse« und hier haben wir es ebenfalls mit kritischen Denker*innen zu tun. »Wie viele Antworten gibt es auf die Frage nach dem Glück und ist Pech wirklich immer das Gegenteil von Glück?«, überlegt Ben gleich zu Beginn. Eine definitiv große Frage, mit der wir direkt ins Philosophieren einsteigen. Doch auch in dieser Klasse geht es darum, herauszufinden, was es mit dem »Mut« auf sich hat – können wir lernen, mutig zu sein, kann Mut wachsen und was bedeutet es eigentlich, wenn wir auf dem Dreimeterbrett stehen und der Mut uns ganz plötzlich verlässt? Liv, Vera, Merle und viele andere Kinder kennen sich mit diesem Gefühl sehr gut aus, aber nach dem Austausch von jeder Menge spannenden »Sprungbrett-Aspekten«, wollen wir noch einmal die Perspektive wechseln.

»Wie würdet ihr euch als Tier fühlen«, fragt Anne Jaspersen, »müsstet ihr dann auch mutig sein?« Die Kinder nicken und schlüpften mutig in die Rolle der Giraffe, der Spinne, des Elefanten oder des Bären und überlegen, was es wohl für dieses Tier bedeuten würde, mutig zu sein, bzw. ob Tiere, die keine Angst haben, überhaupt mutig sein müssen? Mit dieser Frage steigen wir direkt in unsere Geschichte von Frida Furchtlos ein, einer Gans, die sich selbst vor so gefährlichen Tieren wie dem Löwen oder dem Bären nicht fürchtet, sondern findet, dass sie doch sehr nett aussähen und vielleicht lieber bleiben und mit ihr einen Tee trinken sollten.
Was passiert, wenn wir keine Angst haben? Eine spannende Frage, die die Kinder anhand eines fiktiven Dialogs im »Gedankenflieger«-Magazin bearbeiten und anschließend ihre selbst ausgedachten Gespräche vor der ganzen Klasse präsentieren. Auch das ist eine ziemlich mutige Angelegenheit – wir sind jedenfalls sehr beeindruckt von unserem Besuch in dieser tollen Grundschule und all den kleinen und großen Gedanken, die dort ins Fliegen gekommen sind.
Einen besonderen Abschluss bereitet uns noch der Blick in den Flensburger Bücherbus, der die Grundschule Fruerlund an diesem Tag auf dem Pausenhof ebenfalls besucht. Ein Projekt, durch den unser »Gedankenflug« an diesem Tag überhaupt erst ins Rollen gekommen ist. Die kleine rollende Bücherei ist in Flensburg seit über 50 Jahren im Einsatz und sorgt auf ihre Weise dafür, dass die Bücher, mit denen wir so gern philosophieren, so viele Kinder erreichen, wie es nur geht. Eine tolle Kooperation und ein sehr schöner Ausflug in den hohen Norden!
Ina Schmidt und Anne Jaspersen