
6. Oktober 2025
Land. schafft. Demokratie.
Stefanie Segatz und Anne Jaspersen sind mit den »Gedankenfliegern« in Amt Neuhaus und Buxtehude zu Gast.
Im Rahmen des von der bpb geförderten Projekts Land.schafft.Demokratie, das Bibliotheken zu starken Partnern in der Demokratiebildung werden lässt, wurden Stefanie Segatz und ich in der vergangenen Woche eingeladen, viermal die Gedanken fliegen zu lassen. Zum einen haben wir zwei zweite Klassen in der Gemeindebücherei Amt Neuhaus besucht und waren zum anderen in der Nachmittagsbetreuung der Schule Rotkäppchenweg in Buxtehude zu Gast, wo uns Kinder aus zweiten, dritten und vierten Klassen erwarteten.
Gemeinsam haben wir die imaginären Taschenlampen herausgeholt, um die philosophische Frage »Was bedeutet Mut?« näher zu beleuchten.
Beim genaueren Hinsehen sind wir mit den zweiten Klassen in der Gemeindebücherei Amt Neuhaus zum Beispiel darauf gestoßen, dass »mutig sein« eine Stärke ist und außerdem viel mit Freude zu tun hat (zum Beispiel, wenn man beim Fußball spielen ein Tor schießt). Noch mutiger ist es natürlich, sich etwas zu trauen oder besser: sich etwas ZUZUTRAUEN. Für den einen mag es eine Überwindung sein, in den dunklen Keller zu gehen oder von einem Sprungturm im Schwimmbad zu springen. Für den anderen erfordert es Mut ein sehr dickes Buch zu lesen. Und wer wirklich mutig ist, kann sogar denjenigen schützen, der in Not ist, fügte Daren hinzu. Mut braucht also Selbstvertrauen. Oder wie Zoe es ausdrückte: Vertrauen in das eigene Herz.
Und wie sieht es mit den Tieren aus? Können Tiere mutig sein?
Beim Ausbreiten von Tier-Haarreifen in der Mitte des Stuhlkreises, purzelten die Gedanken der Kinder schon durcheinander und sie waren sich einig: Tiere müssen sogar sehr mutig sein! Schnelle Tiere könnten stolpern, deshalb müssen sie sich erstmal trauen so schnell zu rennen. Andere Tiere müssen kämpfen, weil sie hungrig sind oder auch, um ihre Jungen zu verteidigen – das erfordert eine Menge Mut. Elefanten dürfen nicht umkippen, sonst kommen sie vielleicht nicht mehr hoch und ein Höhlenfrosch verträgt kein Licht, er muss dem Licht also mutig ausweichen.
Da ist es schon erstaunlich, dass der Löwe im Buch »Der Löwe in dir« von Rachel Bright und Jim Field tatsächlich Angst vor einer Maus hat, obwohl die Maus doch eigentlich viel mehr Mut aufbringen muss, um den Löwen aufzusuchen, damit er ihr das Brüllen beibringt. So haben sich die meisten Kinder auch dem »Team Maus« angeschlossen, als es um die Frage ging, wer in dem Buch wohl mutiger gewesen ist – Löwe oder Maus?
Viel Spaß hatten die Kinder auch im Magazin mit der Aufgabe, gefährlichen Tieren malerisch etwas Lustiges anzudichten, damit sie nicht mehr so gefährlich aussehen. So bekamen Quallen lächelnde Gesichter, Haie flauschige Flossen und Schlangen gestreifte Wollstrümpfe an. Auch eine gute Methode, um der Angst den Schrecken zu nehmen.

In der Nachmittagsbetreuung der Schule Rotkäppchenweg in Buxtehude, wo über 370 Kinder aus mehr als 20 Nationen lernen, prägen Vielfalt, Sprachförderung und soziale Unterschiede den Alltag – eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Wie ermutigend, dass die genutzten Chancen in dieser Nachmittagsgestaltung, die von der Sozialpädagogin Tanja geleitet wird, so spürbar waren! Auch hier kamen wir mit unserer Jahresfrage »Was bedeutet Mut?« um die Ecke und es flogen gleich spannende Antworten im Raum herum: Es kann mutig sein »etwas durchzuziehen« und manchmal vielleicht auch »sich zusammenzureißen«. Mut ist meistens ein gutes Gefühl und nicht nur das: Mut kann sogar wachsen, wenn man ihn lässt!
Zusammen ist es auf jeden Fall leichter, mutig zu sein, dann kann man sich nämlich gegenseitig ermutigen. Doch was Mut wohl immer braucht, ist Vertrauen.
Eine schlechte Erfahrung nicht zu wiederholen, würde ebenfalls Mut erfordern, warf jemand ein; kann Mut also eine Entscheidung sein? Irgendwie schon, fanden die Kinder, denn man kann sich ja informieren und Gründe abwägen, bevor man etwas tut. Dann trifft man eine Entscheidung für Mut oder gegen Mut, obwohl es ja eigentlich schon mutig ist, sich damit so intensiv zu beschäftigen.
Als aus einer Fühlkiste ein Herz gezogen wurde, lief uns der Begriff »sich ein Herz fassen« über den Weg, denn der bedeutet ja, dass man dorthin greift, wo es manchmal kribbelt, wenn man aufgeregt ist und sich einen mutigen Herz-Schubs gibt. Mut ist also auch ein Gefühl im Körper, zum Beispiel in der Herzgegend, aber auch im Kopf oder im Bauch. Genau wie Angst. Gehören Angst und Mut also zusammen?

Ein weiterer aus der Kiste gezogener Gegenstand, nämlich ein Kaleidoskop, brachte uns wiederum darauf, dass es mutig sein kann, sich in andere Dimensionen zu begeben, sei es in Wirklichkeit oder bloß im Kopf, also zum Beispiel die Dinge aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
Sehr spannend fanden wir diesen Gedanken in Bezug auf unser mitgebrachtes Buch »Frida Furchtlos lädt zum Tee« von Danny Baker und Pippa Curnick, denn in dem Buch hat eine Gans, die in ihrem Leben noch nie einem anderen Tier begegnet ist, keinerlei Angst. Auch nicht, als sie eines Tages gleich von mehreren Tieren Besuch bekommt. Ganz im Gegenteil. Sie lädt den Wolf, den Bären und den Löwen sogar zum Tee ein, obwohl alle drei versuchen, ihr Angst einzujagen. Ist Frida Gans nun mutig? Oder braucht sie gar keinen Mut, weil ihr die Gefahr nicht bewusst ist?
Diese spannenden Überlegungen konnten zwar an diesem Nachmittag nicht abschließend beantwortet werden, aber darum geht es beim Philosophieren auch gar nicht. Viel wichtiger ist es, neuen Gedanken Raum zu geben, einander zuzuhören, und zu lernen, die Antworten der anderen neben den eigenen wirken zu lassen. Nach dem Genuss eines selbst gepressten Apfelsafts wurden in unseren mitgebrachten Magazinen fleißig Mut-Gedichte geschrieben. Einige Kinder trugen am Ende ihre Gedichte sogar laut vor, was wirklich ein ermutigender und bereichernder Abschluss war!
Herzlichen Dank der Gemeindebücherei Amt Neuhaus für die herzliche Gastfreundschaft vor Ort und der Stadtbibliothek Buxtehude für die wunderbare Zusammenarbeit!
Anne Jaspersen